Die Gästin

Lesen in 3 Minuten

Hätten Sie es gewusst? Lustige Fakten rund um den „Genderwahnsinn“

von Michaela Summer

Bildquelle: Duden

Das Gendern wird heiß diskutiert. Selten sind es Studien oder sprachwissenschaftliche Zugänge, die dabei die Diskussionen bestimmen. Stattdessen treiben Ideen über Auswüchse des „Genderwahnsinns“ wilde Blüten. Wir haben ein paar von ihnen gesammelt und uns genau angeschaut:

Schon die Gebrüder Grimm sprachen von der Gästin

Es war einmal ein deutsches Wörterbuch … Wir kennen die Gebrüder Grimm heutzutage ja hauptsächlich im Zusammenhang mit Hänsel und Gretel. Aber die beiden Sprachwissenschaftler machten sich vor allem auch einen Namen mit ihrem „Deutschen Wörterbuch“, das größte und umfassendste deutsche Wörterbuch seit dem 16. Jahrhundert. Und darin führten Jacob und Wilhelm Grimm schon vor Jahrhunderten das Wort „Gästin“ 1Jacob Grimm, Wilhelm Grimm: Deutsches Wörterbuch. 16 Bände in 32 Teilbänden. Leipzig 1854–1961 „Gästin“ an. Es handelt sich hier also um keinen Schmäh und auch um keine Kreation von überambitionierten Vertreterinnen und Vertretern der Gender-Sprache. Stattdessen wird heutzutage das Wort „Gast“ als neutral wahrgenommen und geht damit auch in geschlechtergerechten Texten ganz ohne „in“ durch.

Der Supermarkt verkauft kein Außen-Filet

Falls jemand Angst hat, dass sich die Hähne nun diskriminiert fühlen könnten: Wer im Supermarkt einen Hühner-Innen-Filet kauft, bekommt keinesfalls ein gegendertes Backhenderl auf den Teller. Dieser Witz macht im Netz schon seit Monaten die Runde und wird gern als Paradebeispiel für den so genannten Gender-Irrsinn verwendet. Dazu taugt er aber nicht. Er könnte lediglich zum Nachdenken darüber anregen, warum wir alle nur noch die schönen Filetstücke kaufen und Hendl-Haxeln und andere wenig gefragte Hendl-Teile – immerhin 75 Prozent des Schlachtgewichts – mühsam ins Ausland exportieren müssen. Aber das ist eine andere Diskussion.

Muttermilch bleibt Muttermilch

Ein Aufschrei ging durch manche Medien, als Krankenhäuser in Großbritannien beschlossen, auf den Geburtenstationen geschlechtsneutrale Sprache einzuführen. „Muttermilch“ könnte demnach auch „Menschenmilch“ oder „Milch des stillenden Elternteils“ genannt werden. Damit sollte der Diskriminierung von trans- und nichtbinären Menschen entgegengewirkt werden. Der Wirbel war perfekt, als die Times auf der Titelseite fragte, ob die Sprachpolizei nun Frauen auslöschen wolle.2https://www.thetimes.co.uk/article/breastfeeding-is-now-chestfeeding-why-are-the-language-police-trying-to-wipe-out-women-wfqmws0j0 Die Wogen gingen hoch, viele verorteten einen unangemessenen Zwang zum „Gender-Wahnsinn“. Ganz vergessen wurde dabei: Niemand hat das Wort „Muttermilch“ verboten oder irgendwem irgendetwas vorgeschrieben. Übrigens ist auch das Wort „Muttermilch“ noch nicht allzu lang in unserem Sprachgebrauch. Der Begriff wurde im Zusammenhang mit Stillkampagnen im 18. Jahrhundert eingeführt, um Überzeugungsarbeit gegen die damals übliche Weggabe der Babys an Ammen zu leisten. Zuvor sprach man von „Weibermilch“.

Die „Salzstreuerin“ wird es nie geben

Das Tonhaus Keramik bietet im Webshop eine "Salzstreuerin" aus Ton an, im Design von Venus von Willendorf

Viel gelacht wird auch über vermeintlich zu weit gehenden Gender-Irrsinn wie bei der „Salzstreuerin“ oder die „Muskelkatze“. Anstatt sich über solche Ideen lustig zu machen, wäre es vielleicht klüger, zu hinterfragen, welche Begriffe denn nun tatsächlich gegendert werden. Selten sind diejenigen, die solche Beispiele präsentieren, nämlich sattelfest in der geschlechtergerechten Sprache.

Das Tonhaus Keramik führt eine „Salzstreuerin“ im Webshop: https://www.tonhaus-keramik.de/Salzstreuer-Keramik-Salzstreuerin-cremeweiss/Z5.2

Tatsächlich geht es nämlich in der sachlichen Diskussion rund ums Gendern hauptsächlich um Personenbeschreibungen. Und die hat zum Beispiel auch der Duden schon seit 2021 geschlechtergerecht formuliert. Das heißt, seither gilt für das Werk der deutschen Rechtschreibung der Arzt explizit als männliche Person, die den Arztberuf ausübt, und stellt ihm als weibliches Pendant zusätzlich die „Ärztin“ gegenüber. Doch das scheint vielen in den Diskussionen wohl einfach zu langweilig, weshalb dann eben vermeintliche Irrwüchse des Genderns auf dem Wirtshaustisch präsentiert werden müssen.

Wer verlangt nach dem Bürgerinnensteig?

Auch zusammengesetzte Wörter und Ableitungen treiben viele Menschen auf die Barrikaden, wenn es um geschlechtergerechte Sprache geht. „Ich will nicht ‚Bürgerinnensteig‘ sagen müssen!“, empörten sich schon manche. Doch hier stellt sich die Frage, wer hat denn jemals nach so einer Konstruktion verlangt? Tatsächlich erklärt auch der Duden, dass es nicht sinnvoll wäre, Wörter wie „Ärzteschaft“, „juristisch“ oder „freundlich“ mit einem femininen „innen“ auszustatten, da sie sich auf Abstrakta und Dinge beziehen und nicht auf Personen. 3Vgl. Gabriele Diewald und Anja Steinhauer: Duden. Handbuch geschlechtergerechte Sprache – Wie Sie angemessen und verständlich gendern. 2022: Dudenverlag, Berlin. S.152f Im österreichischen Deutsch ist aber ohnehin eher vom „Gehsteig“ – und das ist nun wahrlich geschlechtsneutral.

Wer Tipps, Tricks und Infos zum Thema Gendern sucht, findet bei unseren Workshops tatkräftige Unterstützung. Ziel: An einem Tag zu Ihrem professionellen Gender-Leitfaden!

Klicken Sie auf den unteren Button, um den Inhalt von wortschneiderei.at zu laden.

Inhalt laden

  • 1
    Jacob Grimm, Wilhelm Grimm: Deutsches Wörterbuch. 16 Bände in 32 Teilbänden. Leipzig 1854–1961 „Gästin“
  • 2
    https://www.thetimes.co.uk/article/breastfeeding-is-now-chestfeeding-why-are-the-language-police-trying-to-wipe-out-women-wfqmws0j0
  • 3
    Vgl. Gabriele Diewald und Anja Steinhauer: Duden. Handbuch geschlechtergerechte Sprache – Wie Sie angemessen und verständlich gendern. 2022: Dudenverlag, Berlin. S.152f